Über die Orientierung im Verhältnis von Massen und Individuen

Die Träger der Orientierung

Eine astrologische Betrachtung zu Mars-Pluto

 

 

Endlich solltest du doch einmal einsehen, was das für eine Welt ist, der du angehörst, und wie der die Welt regiert, dessen Ausfluß du bist; und daß dir die Zeit zugemessen ist, die, wenn du sie nicht brauchst dich abzuklären, vergehen wird, wie du selbst, und nicht wiederkommen.
(Marcus Aurelius: Selbstbetrachtungen; ca. 160-180 n.Ch. )

 

Die Orientierung der Öffentlichkeit geschieht gemeinhin über Medien oder öffentliche Veranstaltungen.

Allen gemein ist der Umstand, daß das Individuum in der Masse das Gefühl von Gemeinschaftlichkeit sucht. Diese kann auch virtuell sein, so wie im Internet. Zu dem Verlangen, sich allegorisch aneinander zu reiben, kommt noch der Umstand, daß Masse nach Motivation sucht, nach etwas sucht, was sie bewegt – dieser Vorgang ist die Orientierung der Massen.

 

Interessant, konflikthaft und dynamisch ist dieses Geschehen, weil in ihm gegensätzliche, sich ausschließende Inhalte in Verbindung treten. Die Konflikthaftigkeit liegt in den unterschiedlichen Wesen von Gruppe und Geist.

 

In der Gruppe, als Gesellschaft oder als Gemeinschaftlichkeit, ist das Individuum ein Herdenmitglied, so wie die anderen der gleichen Gruppierung auch. Man strebt darin nach Sicherheit, Komfort, Genuß oder Ansehen, nach sogenannten weltlichen Gütern, darin auch nach dem Genuß der Ausübung von Körperlichkeit, auch in Nahrungsaufnahme, Sport und ererbten Mechanismen.

 

Komfort ist für den Menschen gewöhnlich nur in der geordneten Ausübung von Gemeinschaftlichkeit, über einen längeren Zeitraum, erreichbar. So brauchen Pioniere bis zu drei Generationen, um zu Wohlstand zu gelangen.

 

Das Leben in Gemeinschaftlichkeit ist nicht eigenständig.
Deshalb hat es zwei Mängel: es hat keinen eigenen Sinn, und, als Ausdrucksform von etwas anderem, etwas bewegtem, ist es in sich, seinem Wesen nach, nicht stabil.

 

Die größten Gefahren für die Gemeinschaftlichkeit sind Sinnlosigkeit und Instabilität.

 

Die Masse reagiert darauf mit Konsum und Ignoranz. Ignoranz, oder das Nicht-Wahrnehmen von Inhalten, die die Subjekte in ihren Zwecken stören könnten, ist die Schlüssel-Methode jeden Erfolgs in Gemeinschaftlichkeit.

 

Der Mangel an Sinn kann – auf Grund der animalischen Grundlage menschlichen Seins – mit Konsum, in Ausübung von sich Selbst, leichter ignoriert werden. Wem dies zur Kompensation nicht genügt, der sucht weltliche oder religiöse Ziele.

 

Hier kommt die Orientierung der Massen ins Spiel.

 

Der Mensch als Teil einer Gesellschaft, als Teil eines Systems, kann in dieser Funktion keinen eigenen Sinn und keine eigene Bewegtheit aus sich selbst haben. Er braucht Bewegung von außen, sei es reaktiv provoziert, sei es durch geistige Impulse. Die Masse kommt ohne Orientierer nicht aus.

 

Zugleich sollen die Orientierer aber sein wie die Masse selbst (nämlich Freund oder Feind), sie sollen die Stabilität der Zwecke der Subjekte stärken, und sie dürfen das offensive Nichtwissen nicht stören, um eben die Stabilität der Subjekte nicht zu gefährden.

 

Solche Anforderungen sind in sich widersprüchlich und nicht zu verwirklichen. Die Masse löst diesen Konflikt durch die Erschaffung des narzistischen Scheins. Wo die Orientierung als Sinngebung nur andersartige Inhalte beherbergen kann, wird dies umgangen durch die Orientierung zu sich selbst. Man lässt sich von dem leiten, was man kennt, erkennt und annimmt. Es ist dies praktisch eine Selbstbefruchtung, und diese erklärt den Begriff „Virtuell“. Diese virtuelle Orientierung kann zwar keinen Sinn vermitteln (weil sie nicht schöpferisch ist), sie macht jedoch einen Sinn überflüssig durch Bewegung und Fortschritt, erfüllt so, temporär, einen Zweck.

 

Man sucht zur Orientierung das, was man goutiert, das ist Like-Kultur, man sucht sich selbst im anderen, möchte den anderen zu sich selbst machen.

 

Es ist klar, daß das Individuum in Gesellschaft keinen Sinn haben kann, dies ist konstitutionell bedingt. Diese Sinnlosigkeit, die im Subjekt leicht zu einer Depression führen kann, ist aus astrologischer Sicht keine Krankheit. Es ist die authentische Reaktion auf diese Situation. Geschenkt wird sie aber nur dem Individuum, das die Kulturtechnik des Nicht-Wahrnehmens nicht akzeptiert. Der Wahrnehmende ist gefordert, abzuklären in welcher Welt er lebt:

Wer nicht weiß, was die Welt ist, weiß nicht, wo er lebt. Aber nur, der da weiß, wozu er da
ist, weiß, was die Welt ist. Wem aber eins von diesen Stücken fehlt, der kann auch wohl
seine eigene Bestimmung nicht angeben. In welchem Lichte erscheint dir nun der Mensch,
der um den lauten Beifall jener buhlt, die nicht wissen, wo noch wer sie sind?
(Marcus Aurelius: Selbstbetrachtungen)

So sagte der Komiker Nico Semsrott: Freude ist nur ein Mangel an Information. Das weist, als Übertreibung, in diese Richtung.

 

Das, was von Orientierern allgemein erwartet wird, entspricht einer Dienstleistung im kaufmännischen Sinn. Der Orientierer muß ein typisches Modell repräsentieren, an dem der Sinnsuchende teilhaben will.

 

Das ist das narzistische Modell der gesellschaftlichen Sinnindustrie.

 

Deren Wirkung auf die Sinnsuchenden ist die einer Kompensation: solange sie präsent sind, fühlen sich die Sinnsuchenden gut, bei Ausfall des Modells klappen sie zusammen wie mit Hormonen gepuschte Zimmerpflanzen. Es fehlt die Kraft aus sich selbst.

 

Da Kollektive das ablehnen, was Zwecke der Subjekte stört, lehnen sie generell eine sinnvolle Orientierung ab - sie kann nicht stattfinden.

 

Deshalb erlangen Kollektive nur temporär Sinn nach Krisen und Katastrophen, also durch Geschehnisse, in denen die willentliche Steuerung des Lebens gemindert ist.

 

Diese Ablehnung des Sinngebenden in Kollektiven ist grundsätzlich, instinktiv, irrational, alternativlos und selbstverständlich, so daß mit ihr in kultivierten Gesellschaften allerlei Rationalisierungen und Kompensationen einhergehen.

 

Das Sinngebende wirkt auf die Gemeinschaften destabilisierend, denn die Materie ist an sich der Träger, der den wandelnden Inhalten der Wirklichkeit folgen sollte. Wirklichkeit und Sinn zerstören Sicherheit, Ordnung und Komfort durch leben. Deshalb reagieren Kollektivmitglieder aggressiv gegen das Aufscheinen von Wirklichkeit. In allen Kollektiven – von Familie bis Gruppe oder Staat - wirkt mindestens eine von vielen Spielarten des Gesetzes des Schweigens und des Nicht-Wahrnehmens.

 

Für einen wachen, wahrnehmenden Menschen in einer Gesellschaft stellt sich immer die Frage, wie er mit Sinnlosigkeit und Anforderung zur Ignoranz umgeht. Sinn und Wahrnehmung sind als Mitglied eines Kollektivs nicht zu verwirklichen, und die Frage ist, ob man bereit ist, in sinnlosem Existieren, als fragloses Zahnrad eines Systems, seine Tage irgendwie herumzukriegen. Die meisten Menschen haben diesem Modell zugestimmt.

 

Die Abwehr der Kollektive geht mitunter soweit, daß einzelne Personen instinktiv ermordet werden, und zugleich das Kollektiv dazu neigt, den Täter nicht zu bestrafen, genauso, wie Gerichtsprozesse, in denen Beteiligte, die das Kainsmal von Sinnhaftigkeit in sich tragen, eher den Prozess verlieren. Säße ein Sinnträger in der S-Bahn, so dürfte ihn selbstverständlich jeder, unverwandt und verständnislos, so lange angaffen, wie ihm danach zu mute ist. Die Rechtlosigkeit des Sinngebenden ist entwicklungsgeschichtlich tief in den Instinkten des Homo sapiens verankert.

 

Um solche Zusammenhänge sichtbar werden zu lassen, braucht es eine Perspektive und eine Gesamtschau, die sich im philosophischen Ordnungssystem in der Astrologie anbietet.

 

 

Eine astrologische Betrachtung der Träger der Orientierung

 

Diejenigen, die in der Anlage, als Personen, in ihrer Existenz eine Orientierung für die Gegenwart darstellen, stehen in der Astrologie unter dem Signum Mars-Pluto. Es kann dies im Geburtsbild als Aspekt vorliegen, aber auch als Konjunktion des Pluto zum Aszendenten.

 

Eine solche Anlage der Orientierung ist – wie oben dargelegt – lebensgefährlich. Mit ihr wird die Person von Kollektiven, aus oben benannten Gründen, verneint. Diese Verneinung kann vielerlei (oft zivilisatorische verkleidete) Formen annehmen, für den Träger gilt dabei, daß er diese Anlage nicht vermeiden kann, daß diese Anlage abgelehnt wird, und daß diese Ablehnung sich immer grundsätzlich gegen ihn als Person insgesamt richtet. Dabei geht es für Mars-Pluto im Kollektiv immer um die Anforderung: Unterwerfung (unter allgemeine Vorstellungen und damit Versklavung), oder zumindest Ausschluss aus der Gemeinschaft.

 

Beide Alternativen sind drastisch, Mars-Pluto wächst von Kindheit an damit auf, und findet kaum Unterstützung. Wo keine Alternative zum Leben im Kollektiv besteht (und das ist in der Post-Moderne meist der Fall), suchen die Betroffenen oft nach Möglichkeiten, die Auswirkungen ihrer Anlage zu mildern.

 

Dabei bieten sich, je nach weiteren Anlagen, als Vermeidungsstrategien, neben der Nicht-Wahrnehmung, die üblichen Mechanismen von Kompensation und Externalisierung an.

 

In der Deutung benötigt man mehrere Symptome und Zeichen, um zu differenzieren, wer eine Person ist.

 

Bilder des „Wolfs“ als Symbol des Ausgestoßenen [Münchner Rhythmenlehre] haben für Mars-Pluto nur Gültigkeit im Kontext von Kollektiven, denn sie beschreiben die Stellung des Mars-Pluto im Kollektiv.

 

Außerhalb von Kollektiven ist der Mars-Pluto frei - für Kollektive „vogelfrei“. Dazu findet sich im DWDS:

vogelfrei Adj. ‘frei von Herrschaftsdiensten, frei wie ein Vogel in der Luft’ (Ende 15. Jh.), ‘rechtlos, ohne gesetzlichen Schutz, geächtet’ (16. Jh.)..

Das ist also die Freiheit, die für den Mars-Pluto, die notwendig ist, um nicht den Anfeindungen der Kollektive zum Opfer zu fallen. Sie ist zugleich die Voraussetzung, um als Person ein Orientierer zu sein. Denn um die Gegenwart orientieren zu können, wird das Prinzip der Wirklichkeit benötigt (Neptun).

 

In astrologischen Begriffen ist dies der Weg des Mars über den Neptun zum Pluto, dies ist der freie Mars-Pluto. Der virtuelle, also narzistische Mars-Pluto geht den unteren Weg, er spiegelt sich selbst … mehr dazu weiter unten bei Darstellung der Vermeidungsstrategien.

 

Ein Beispiel für den nicht-zugehörigen Orientierer sei hier Peter Handke (*6.12.1942 6:45 Griffen). Bei dem angeführten Zitat steht das Haus für die Gesellschaft:


Was später einmal auf seinem Grabstein stehen soll, wurde Handke einmal gefragt. Er hat geantwortet: «Bin hinten. So wie man bei jemandem an die Haustür kommt, der im Garten arbeitet und ein Schild an die Tür gehängt hat: Bin hinten.» (NZZ → https://www.nzz.ch/feuilleton/handke-nobelpreis-ld.1514618 )

 

Da ist es folgerichtig, daß man ihm gleich allen Wert entziehen möchte, sobald er in die Zentren der Kollektive gelangt. Neben vielen anderen Kritikern möchte ihm die Frankfurter Rundschau gleich den Wert seines Gesamtwerks seit den 60-er Jahren entziehen:

 

Für Peter Handke ist der Literaturnobelpreis das Schlimmste, was ihm passieren konnte. Der Literaturnobelpreis ist der Leuchtturm, der jeden zu zielgenau zu ihm und seinem Gesamtwerk führt. Danach kann keiner mehr sagen, er habe von nichts gewusst. ( https://www.fr.de/kultur/literatur/abschied-peter-handke-13139174.html )

 

Für Handke ist der Mars-Pluto wesentlich, er gehört durch den Skorpion zur Durchführung des astrologischen Verbunds [Deutungen in der Methodik der Münchner Rhythmenlehre]. Deshalb beschäftigt er sich auch immer wieder mit seiner Thematik. Dazu gehört auch, daß der den Nobelpreis annehmen will, obwohl er ihn für falsch hält – er möchte sich der Thematik stellen. Mars-Pluto wird in seiner „Zauberkraft“ geschwächt, wenn er in Zugehörigkeiten zu Kollektiven gerät. Vielleicht möchte Handke dieses Thema für sich noch weiter klären…

 

Der aktive, nicht kompensierte Mars-Pluto erfährt schon als Kind An- und Übergriffe. Davon kann jedes Kind berichten. Es sind Übergriffe und Geringschätzungen aller Art, die sich dadurch auszeichnen, daß dabei Täter und Zuschauer keinerlei Unrechtsgefühl haben. Dabei kann es sich um Mobbing handeln, um sexuelle Übergriffe, alle möglichen Arten von Mißbrauch. Dabei sind die Kinder nicht geschützt, die Eltern oder Verantwortlichen stehen ihnen nicht bei. Es kann sich da um sonst nette Leute handeln, denn alles geschieht instinktiv und unbewußt.

 

Das Mars-Pluto-Kind hat einen anderen „Geruch“ als die normalen Kollektivmitglieder, und durch seine pure Anwesenheit bringt es in den Mitmenschen das Verdrängte (Pluto) in den Vordergrund (Mars), welches diese dann gleich am Mars-Pluto ausleben wollen. Das Kind zieht das Verdrängte der Umwelt an, weil es wesentlich sein will, und dafür die Gestalt der Gegenwart bereinigen muß. Dafür muß es einen hohen Preis zahlen. Es wird von klein auf traumatisiert. Und die Umwelt verfällt in seiner Gegenwart in demonstrative Kompensationshandlungen, um an dem Kind die eigene hochdrängende Unruhe zu bekämpfen.

 

Handke berichtet, er sei als Kind gemobbt worden, andere wurden von den Geschwistern oder Eltern mißbraucht. Ein Kind erzählt aus dem Kindergarten: Am ersten Tag sah es die Kinder gezwungen mit Bausteinchen spielen, darauf erkannte es, daß sie verrückt seien, und warf seine Bausteinchen zur Auflösung der Zwangssituation in die Runde. Das Kind wurde darauf hin in den Keller gesperrt, es verbrachte die ersten drei Tage im Keller, solange, bis es sich weigerte, weiter in den Kindergarten zu gehen. Die Eltern verstanden es nicht, es mußte selbst die Lage erkennen und handeln.

 

Der Preis für die Nicht-Verdrängung eines Mars-Pluto ist Traumatisierung.

 

Ein Mars-Pluto Kind gehört nicht in Gemeinschaftsveranstaltungen wie Kindergärten oder Schulen, und wenn, dann nur unter besonderen Bedingungen, welche das Individuum fördern.


In seinen Tagebüchern erwähnt Ernst Jünger einmal den Schulzwang als einen der fundamentalsten Zwänge der Demokratie und des sich auf Reformation, Aufklärung und vorgeblicher Emanzipation des Individuums berufenden modernen Staatswesens. Der, obwohl im elementaren Widerspruch zur Freiheit des Individuums stehend,  kaum als solcher thematisiert würde ( Herber Antonius Weiler  , abgerufen am 25.2.2020)

 

Am Gefährlichsten für die Mars-Pluto-Träger scheint die Vermeidungsstrategie des Nicht-Wahrnehmens zu sein. Dabei wird die gesamte innere Mars-Pluto-Thematik ignoriert, man gibt sich harmlos und nett, und bemüht sich um einen guten Stellenwert in der Gemeinschaft. Mit dem Mars-Pluto im Hintergrund muß man besonders nett sein, die Wahrnehmung der ständig in den Vordergrund drängenden Verdrängungen der Mitmenschen muß abgeschaltet werden, dann kann die Täuschung auch eine Weile gelingen. Der Nachteil besteht aber darin, daß der Mars-Pluto-Träger dann nicht lernt, Gefahr zu erkennen und sich selbst zu schützen. So kann es geschehen, daß er zum Opfer wird – denn das unterbewußte Stigma der Rechtlosigkeit bleibt immer bestehen. Der Mars-Pluto kommt für ihn dann als Ereignis von außen, bei einer Rechtlosigkeit, die grundsätzlich und existenziell ist (Mars), es geht also um das Recht, zu existieren.

 

Angeführt sei hier das Beispiel von Reeva Steenkamp. Sie war Freundin von Oscar Pistorius, welcher sie am 14.2.2013 nachts im Hotelzimmer, nach einem Streit, durch die geschlossene Badezimmertür erschoss. Das Gericht sprach ihn zunächst von Schuld frei, seiner Aussage glaubend, er sei aufgewacht, sah seine Freundin nicht im Bett neben sich, hörte aber Geräusche im Bad, und habe geglaubt, ein Einbrecher sei im Bad, welchen er dann erschießen wollte. An dieser Begebenheit wird deutlich, wie stark die Rechtlosigkeit der Opfer ist, so daß die (oft irrational anmutende) Neigung besteht, die Täter für schuldlos zu erklären. (Selbst bei einem Mars-Pluto Transit zu einer Urteilsverkündung besteht die Tendenz, den Prozess zu verlieren, da einem ein Status der Rechtlosigkeit anhaftet). Es brauchte weitere Bemühungen, bis schließlich der Täter verurteilt wurde. Im astrologischen Verbund von Veera Steenkamp steht der Mars im Löwen, der Mars-Pluto gehört bei ihr wesentlich zur Durchführung ihrer Inhalte. Man muß annehmen, daß sie ihn so wenig in ihr Leben integriert hatte, daß er nur als verneinendes Ereignis von außen noch Erscheinung werden konnte. Mit einer Sonne bei GSP Merkur-Uranus, dazu noch Jupiter-Uranus, hat sie versucht, sich aus allen Verbindlichkeiten herauszuhalten, die neutrale Leichtigkeit zu wahren, was in Hinsicht auf sie selbst nicht angemessen war, und wohl nicht durchzuhalten. Man könnte sagen, Pistorius hatte kompensatorisch den Mars-Pluto für Frau Steenkamp gelebt, die Verneinung in Form seiner körperlichen Versehrtheit, und im Moment ihres Versuchs der Rücknahme der Kompensation in Form der Trennung der Beziehung, trat die kritische Phase ein, die Überquerung des Todesstreifens (Döbereiner), die bei jeder Rücknahme von Kompensationen eintritt.

 

Die am besten funktionierende Vermeidungsstrategie scheint die Externalisierung zu sein. Sie ist aus astrologischer Sicht unethisch, da sie, mit dem Zweck der Entlastung des Subjekts, die eigenen Schwierigkeiten zu den Schwierigkeiten anderer macht. Der Beispiele sind Legion, und aus rechtlichen Gründen sollte man keine Namen nennen. Im Prinzip geht es darum, sich an gesellschaftlich-rechtlichen Konstrukten zu beteiligen, die zur Ausbeutung und faktischen Versklavung oder Vernichtung vieler führen können, wobei man selbst aber Vorteile daraus zieht. Jeder, der sich mit der Wirtschaft moderner Zivilisationen beschäftigt, weiß, wovon die Rede ist. Man könnte ihnen Fantasienamen geben wie „Schwarzer Fels“, und viele andere mehr.

 

Weitere weit verbreitete Vermeidungsstrategien sind Kompensationen. Man kompensiert die eigene konstitutionelle Rechtlosigkeit des Mars-Pluto dadurch, daß man sich besonders hervortut im Kollektiv, etwa in der Verfolgung anderer Rechtloser, durch aggressiven Schutz des Kollektivs, oder durch Ausübung von Ausgrenzung nicht gesellschaftskonformer Menschen. Man übt praktisch das aus, was man fürchtet selbst zu erleiden. Manch anderer versucht, Ausgegrenzte zu integrieren, was inhaltlich falsch ist, wie man nach den vorhergehende Darlegungen weiß, doch auch dies beruhigt das eigene Dasein. Man macht sich nützlich für die Gemeinschaft, und solange man nützlich ist, wird man nicht ausgestoßen.

 

Insgesamt kann man feststellen, die Orientierung der Gegenwart im Signum von Mars-Pluto ist in einer kollektivierten Zeit sehr schwer zu verwirklichen, und sie ist meist mit Traumata verbunden.


Die Gegenwart will Bild werden, um so die Subjekte zu befruchten. Mars-Pluto steht dafür als Person und Symbol, eine Person, die über den Bildfluss der Wirklichkeit in die Gegenwart wacht.

 

Um so mehr aber die Gegenwart durch die Zwecke der Kollektive besetzt ist, desto schwieriger kann Mars-Pluto sein Dasein erfüllen, den die Gemeinschaften wollen nichts wirkliches und lehnen ihn ab. Er wird zum Verdrängten, und wenn er dieses Schicksal nicht erleiden will, wird er eine Vermeidungsstrategie anwenden, die ihn letztlich aber immer zu einer Art Sklave macht, da er sich entgegen seiner Art den Zwecken eines Kollektivs unterwirft.

 

Mars-Pluto steht in einer kollektivierten Zeit vor der Aufgabe, zu versuchen, sich so weit es ihm nur irgend möglich, aus Gemeinschaften zu entfernen, um orientierend für die Gegenwart zu wirken.
Er kann dies nur, wenn er erkennt, wer er ist, und was dies bedeutet. Dabei geht es um nichts weniger als den Sinn der Gegenwart.

 

Der gequälte Mars-Pluto
( aus: Georg Heym, Tagebücher)

18.10.1906
… Ich wollte noch etwas mir wichtiges schreiben, aber je mehr ich sinne, um so tiefer kriecht es in's Gehirn zurück. Also, wie gesagt, ich will mich inniger mit dem Selbstmordgedanken vertraut machen.
Darf ich meinen Eltern das antun? Ich weiß, sie werden sehr leiden. Aber warum halfen sie mir nicht, warum nahmen sie mich nicht aus dieser Hölle fort, da ich doch sie oft gebeten habe. Darf ich es dem Leben antun, das heißt, meinen Mitmenschen, da ich sicher einmal in die Höhe kommen würde und groß würde? Ja, denn das Leben ist mir bis auf den Tod feindlich, so auch die meisten Mitmenschen. Und dann, den Ruhm, das höchste, erreiche ich vielleicht durch meinen Tod.
13.1.1907
… Ein Mann sitzt schon das zehnte Jahr im Zuchthaus, die Stunde seiner Befreiung kommt näher, endlich ist sie da: morgen soll er hinaus. Ermißt man, was das heißt? Der Gefangenenwärter, der ihm, meint er, den Kerker aufschließen soll, tritt zu dem vor Freude Bebenden und sagt ihm: »Das Gericht hat noch auf eine Zusatzstrafe von einem halben Jahr erkannt, legen sie nur ihre Sträflingskleidung wieder an.« Da wird der 10 Jahre Gemarterte zusammenbrechen, dieses halbe Jahr wird er nicht mehr ertragen. Seine Gedanken waren schon so froh, daß ihm dieser Sturz schwerer ist, als die ganzen 10 Jahre. Er wird's nicht ertragen, ist er jähzornig, erschlägt er den verruchten Wärter, ist er's nicht, tötet er sich allein.

Ende Dezember 1909
Könnte man den Dämon, der sich die Welt aus den Fingern rollen ließ, einfangen, man müßte ihn in Ketten legen und auspeitschen, damit er nicht noch ein anderes Mal im Kosmos ein solches Unheil stifte.
2. Januar 1910.
Das Volk ist im allgemeinen noch viel dümmer, als man glaubt. Ich sehe das an den Büchern der Volksbibliothek. Die guten Bücher, die ich lese, tragen in 3 Jahren kaum ebensoviele Stempel. Ein Buch von Kipling, ein wahrhaft jämmerliches Buch ist von unten bis oben bestempelt.

Dezember 1911
Wundervoll. Gespräch mit meiner Mutter über meine Kunst:
Meine Mutter: »Du hast keine edle Seele. Sowas kann ich nicht lesen. Wer wird denn so etwas lesen. Edle und zarte Seelen kaufen doch so was nicht.« – – –
Meine Einwände .... »Aber, Georgel, Goethe und Schiller, haben doch auch anders gedichtet. Warum schreibst Du denn nicht im ›Daheim‹ oder in der ›Gartenlaube‹.«
Schließlich habe ich ihr versprechen müssen, jetzt edle und zarte Gedichte zu machen.

 

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© Daniel Menz 2019