Die Wiederkehr des Numinosen in Form technischer Zivilisationen

Eine astrologische Betrachtung.

„Eins habe ich gelernt: alles wird immer schlimmer.
Alles was wir tun, ist komplett sinnlos - da wir eh
bald sterben. Und trotzdem bin ich der glücklichste
Mensch, der je gelebt hat."
(T.C. Boyle - „Rockstar der amerikanischen Literatur"ⁱ )

Es erscheint paradox. Aber in dem Maße,
wie die Menschen begannen, sich die äußere
und ihre innere Natur durch zunehmende
Verobjektivierung der äußeren Welt und innerliche
Distanzierung von ihrer Körperlichkeit zu unterwerfen,
keimte auch die „Angst vor der Rache der unterworfenen Natur"
(M. Schönhuth^o )

 

Langsam, scheinbar unbemerkt, schleichen sich in den Alltag des modernen Menschen wieder solche geheimen Kräfte und Mächte ein, mit denen zuletzt unsere heidnischen beziehungsweise tribalen Vorfahren täglichen Umgang pflegten. Das mythologischen Wirken der Vorzeit wird ersetzt durch technische Verfahren, durch Algorithmen auf Grundlage von Daten.

 

Das Numinose bezeichnet Umstände, bei denen unsichtbare Mächte Einfluss auf die Erscheinungen der Gegenwart nehmen.

 

Ein solches Geschehen mag einem aufgeklärten Menschen fremd erscheinen. Doch genau dies geschieht in zunehmendem Maße in modernen, technologischen Gesellschaften der Neuzeit.

 

In der Religionswissenschaft bezeichnet Numen eine Macht oder Kraft, die auf die Natur und den Menschen einwirkt, so wie Schicksal, Fruchtbarkeit, Wachstum, Macht, Tod. Wird diese Kraft personalisiert, spricht man von einer Gottheit, einem Dämon oder einem sonstigen Geistwesen. Diese sind dennoch nicht identisch mit der Kraft, sondern lediglich deren Vertreter, Träger oder Beherrscher und zum Teil selbst ihnen unterworfen. Während der Mensch den numinosen Kräften ausgeliefert ist, vermag er durch Verehrung jener mehr oder weniger personalisierten Wesen einen indirekten Einfluss auf die numinosen Kräfte zu gewinnen. ⁱⁱ

 

Die Entwicklung der geheimen Überwachungs- und Manipulationssysteme hat sich in großem Stil bereits 1949 abgezeichnet, als in London der Roman „1984“ von George Orwell erschienⁱⁱⁱ.

 

Für die Öffentlichkeit sichtbar wurde ein solches System als Sozial-Kredit-System^iv ab 2014 in China.

 

Die Entsprechende Weisung wurde dort zum 14.6.2014 in Peking öffentlich freigegeben.
Wenngleich heute vielerlei Kritik daran in der „freien“ Welt laut wird, so muß man davon ausgehen, daß mindesten aus Gründen der Vernunft sowie aus Gründen finanzieller Interessen, solche, oder ähnliche Systeme, überall entstehen werden.

 

Ein weiterer sichtbarer Meilenstein ist die Einführung von „Pre-Crime“-Systemen, die Verbrechen signalisieren sollen, bevor sie stattfinden. In Stuttgart wurde schon 2015 ein Versuch gestartet, andere Bundesländer folgten^v. Ein Bericht über Indien^vi legt die Vermutung nahe, daß entsprechende Überwachungs- und Bewertungssysteme auf der ganzen Welt geplant werden. Die damit aufkommenden ethischen Fragen, und das Scheitern in deren Beantwortung, wurden bereits in Literatur^vii und in Kinofilmen vorweggenommen.

 

Durch die Digitalisierung der gesamten sozialen Infrastruktur und deren Institutionen werden nun mehr und mehr Vorgänge des Lebensalltags durch Algorithmen steuerbar. In nicht allzu ferner Zukunft werden Haustüren digital kontrolliert. Die Stimmen und die Gesichter der Bürger werden gespeichert sein. Durch die überall verteilten und vernetzten Kameras wird man jederzeit wissen, wer gerade wo ist, und was er macht. Ein globaler Online-Händler hat bereits angefangen, an Polizei und an Interessengruppen solche Kontrollsysteme zu verkaufen.

 

Es ist jetzt schon so, daß geheime Zensur durchgeführt werden kann. Wenn sie etwas veröffentlichen, was einem Algorithmus nicht zusagt, so werden möglicherweise nur sie die Veröffentlichung sehen, aber kein anderer. Man bemerkt die Zensur auf diese Weise nicht. Es geht aber auch umgekehrt, wie der letzte US-Wahlkampf gezeigt hat: Nur bestimmte Gruppen bekommen bestimmte Nachrichten zu sehen. Manipulationen und Mißbrauch sind hier Tür und Tor geöffnet. Die Entwicklung in China zeigt: ob man einen Job bekommt, einen Kredit, Zugang zu einem Gebäude, Flugtickets, oder vieles andere mehr, hängt nun von Kräften ab, die geheim sind, die man nicht sehen und nicht kennen kann, und gegen die man sich kaum wehren kann. An dieser Stelle soll nicht detailliert darauf eingegangen werden, der Interessierte kann sich informieren.

 

Jedoch sind es diese geheimen Kräfte, heute genannt Algorithmen, die die Welt zunehmend beherrschen werden, ohne daß wir Einfluss auf sie haben können. Sie sind in der Lage, alle Menschen auf Funktionsträger zu reduzieren, das Schöpferische auszuschließen, und somit einen Sinn des Lebens zu verhindern.

 

Der Mensch befindet sich im Realen wieder in der gleichen Lage wie seine Vorfahren, gelenkt und beherrscht von obskuren Kräften.

 

Für den mythischen Vorfahren waren dies jedoch numinose Kräfte (also göttliche Kräfte), für den modernen Menschen bleiben nur noch deren Ersatz in Form obskurer Kräfte in nicht einsehbaren technischen Manipulationen.

 

So gesehen ist dies ein Abstieg, ein Fall, und eine Bestätigung, daß alles immer schlechter wird^viii.

 

Jedoch bemerkt es die Masse nicht, solange Nahrung, Fortpflanzung und Unterhaltung weitgehend „frei“ bleiben. Nur die kulturstiftende Frage: „Wie wollen wir leben?“ kann keine angemessene Antwort finden.

 

Die Entwicklung wird nun absehbar - man muß annehmen, daß die Bewältigung dieser Technologie die bisher größte Herausforderung der Menschheit sein wird. Es ist dies ein Circulus vitiosus, dem die gegenwärtige Verfasstheit der menschlichen Vernunft nicht entkommen wird. In der Logik des Lebens jedoch ruft der Verlust von Sinn Krisen hervor. Diese Krisen treten rhythmisch auf, und werden umso größer, je länger die Themen ungelöst bleiben. Initialisiert werden diese Krisen in der technischen Welt durch Irrationalitäten und öffentliche Stimmungen.

 

Man muß bei der derzeitigen Entwicklung annehmen, daß die Menschheit an dieser Herausforderung in großem Maßstab scheitern wird. Man könnte fast meinen, es gäbe im Menschen kein natürliches Abwehrsystem gegen die von ihm geschaffene Kontrolltechnologie. Sehr charakteristisch ist das menschliche Verhalten bei der Datensammlung der IT-Plattformen. Kauft man etwa beim Bäcker Brötchen, und dieser bittet einen um die Adresse und die der Bekannten, so wird man instinktiv dieses Ansinnen zurückweisen. Das selbe bei einem IT-Konzern ruft keine Abwehrreaktionen hervor.

 

Genauso ein Brief- gibt man ihm am Postschalter auf und der Postangestellte bäte darum, den Inhalt zu lesen, man wäre instinktiv empört. Das gleiche Ansinnen bei einem IT-Konzern ruft bei Milliarden Betroffenen keinerlei Abwehrreaktion hervor.

 

Diese Symptome weisen darauf hin, daß das menschliche Abwehrsystem weitgehend nicht auf Manipulationen der Informationstechnologien reagiert (Eine Ursache dafür sei in der astrologischen Betrachtung angeführt.)

 

Dieser Befund ist es, der der Menschheit eine solch schlechte Prognose erstellt. Es mögen nach uns andere kommen, die an den Umständen lernen wollen. Die Geschichte lehrt: auch diese Plage wird langfristig bewältigt werden, man nennt solches Geschehen „Krise“. Die Auswirkungen der Implementierungen der IT-Überwachungssysteme drängen sich wie die große Welle eines Tsunami unaufhaltsam in die Realität des Alltags der Menschen der ganzen Welt. Die Schäden werden verheerend sein. Allerdings ist das Abwehrsystem des Menschen lernfähig, so braucht alles seine Zeit…

 

Zur Klärung des Bildes soll hier nun das astrologische Zeitbild betrachtet werden.

 

Ein Ergebnis dieser Betrachtung sei hier als These vorangestellt:

 

Die aggressive Dominanz der Ausübungen des Realen über das kreative Leben erfordert im Sinne der funktionalen Sachlichkeit die Ausschaltung alles Unberechenbaren, somit die Ausschaltung des individuellen Schicksals zugunsten eines reibungslosen Funktionierens der Gesellschaft.

Schicksal wird somit verdrängt, und geht ein ins kollektive Unbewußte. Dies ist der Ort, wo das Numinose als Symptom des Verdrängten durch die Gesellschaft generiert wird.

Das verdrängte Schicksal erscheint symptomatisch, also als Zeichen der Verhinderung des Lebens, hier also in Form von algorithmischen Regelungen über Form und Gestalt der Gegenwart. Als Verdrängtes wirkt es aus dem Verborgenen und ist ubiquitär.
Dabei wird auch klar, daß der Versuch, solche Regelungen zu beschränken, als reine Symptombehandlung nicht von Erfolg begleitet sein kann. Helfen kann nur die Ermächtigung des unbestimmbaren, schöpferischen Lebens im Verhältnis zur Dominanz des Realen.

 

Zunächst sei hier das Zeitbild des Erscheinens des Buches „1984“ von George Orwell^ix betrachtet.