Von Krankheit, Kompensation und Bestimmung

Bob Marley  6.2.1945  Nine Miles, Jamaica
Bob Marley 6.2.1945 Nine Miles, Jamaica

Hier ergibt sich Gelegenheit, am Beispiel des Lebens von Bob Marley, ein paar Zusammenhänge des Seins zu beleuchten.
Solchen Verhaltens- und Seinsmustern begegnet man immer wieder, sowohl bei sich selbst, wie auch bei anderen. Man erkennt auch die Tragik, die das menschliche Leben begleitet. Der Mensch ist aufgerufen, sich gegenseitig ausschließende Inhalte zu leben. Dies gelingt nicht immer - zuweilen scheint ein Gelingen gar unmöglich. In der astrologischen Deutung kann man aber auch erkennen, daß das, was in einer dualen Perspektive als Scheitern bewertet wird, durchaus  in anderer Perspektive, ein Erfolg sein kann.
 
Bob Marley war als Musiker sehr erfogreich, er verkaufte 75 Mio. Tonträger. Daneben hatte er aber auch zeitweilig eine Bedeutung ähnlich der eines Messias - zumindest für Jamaika. Er war zu seiner Zeit ein Katalysator, der verfeindete Parteien der Bevölkerung befrieden konnte. Daß ihn dies das Leben kosteten sollte, das soll hier noch aufgezeigt werden. Das Zeitbild erlaubt uns, Struktur und damit Zusammenhänge zu erkennen.
 
Das Ziel der Einigung eines Volkes konnte er nur unter einer Vorbedingung erreicht werden: der Einigende darf selbst zu keiner Partei gehören.
 
Nun ist dieser Bedingung vollumfänglich praktisch im Leben eines Menschen nicht leicht zu genügen, denn das menschliche biologische Abwehrsystem ist organisiert in einem Revier und damit in Zugehörigkeit  verortet. Die Funktionen des Abwehrsystem basieren auf der Unterscheidung: uns zugehörig - nicht zugehörig. Die schicksalhafte Erfüllung seiner Revierlosigkeit war also Bedingung für sein Leben -  doch auch Trauma und Untergang zugleich.
 
Geschichtlich trug es sich folgendermaßen zu: 
Marleys Geburt und die damit verbundene Familiengründung provozierten einen Skandal, der für die Familie zur Ächtung und Geringschätzung führte. Der Vater, ein älterer englischer Offizier, schwängerte und heiratete ein dunkelhäutiges einheimisches Mädchen. In dessen Folge wurde der Vater aus der Armee entlassen, die Familie war geächtet gemäß den Regeln des Gemeinwesens. Der Junge verlor durch den Vater den ihm angemessenen gesellschaftlichen Status, zudem fühlte er sich durch seine bloße Existenz schuldig (für das Unglück der Familie). Er wurde als Außenseiter geboren,  und er blieb es auch. Selbst die Eltern der Freunde seiner Kinder verboten es ihren Kindern dort zu übernachten.


[Astrologisch: Venus-Saturn-Neptun: Schuldig durch bloßes Dasein, Schuld im Rahmen der gesellschaftlichen Norm. Wir sehen hier die Revierunsicherheit und das untersagte Recht zu leben. Dieses Thema gehört zum Expose des Zeitbildes, es leitet das gesamte Geschehen als Grundthema, denn es ist Bestandteil des Verbund-Führers Fisch]
 

Diese innere Verfasstheit macht ihn später geeignet, ohne "Eigengewicht" mit den abgegrenzten Parteien umzugehen. Diese lassen es zu, denn er löst bei ihnen keinen Widerstand aus. Diese existentielle Gewichtslosigkeit hat jedoch einen Preis: 
Verminderung von äußerer Abgrenzung und äußerer Abwehr spiegelt sich auch in den organischen Funktionen. Ohne angemessene  Revierverteidigung bricht auch die körpereigene Abwehr zusammen.
Dies ist das messianische Element in Marleys Leben: er starb an einem generalisierten Krebs, denn die körperabwehr setzte dem nichts (mehr) entgegen. Jedoch lebte er für die Gemeinschaft  aller Menschen.
 
Bis es jedoch soweit war, setzte er sein Werk in die Welt.
Damit kommen wir zu dem im Titel erwähnten Begriff "Kompensation".

Eine solche Verfasstheit und Geschichte für sich, so wie wie sie im Expose (dem astrolog. Verbund) beschrieben, würde eine Wirksamkeit in der dualen Welt sicherlich ausschließen. Ohne seinen Platz zu verteidigen, ohne Abwehr, wäre er wie ein Blatt im Wind, allem ausgliefert und davon geweht. Wie häufig in solchen Fällen, wenn das Leben sich aus sich selbst nicht (mehr) gewährleisten kann, dann übernimmt die Vorstellung die Führung. Wenn die Motivation durch Vorstellung und mentale Kräfte eine Schwäche überbrückt, dann spricht man von Kompensation. Dies geschah so auch bei ihm. Er verwirklichte mit Energie seine musikalischen und auch gemeinschaftlichen Frieden stiftenden Ziele.
Allerdings sind Kompensationen zeitlich begrenzt, denn sie verzehren Energie und schaffen  kein Leben, so wie das Wachstum.
Die Schwäche, die sie schützen, wird nicht erlöst. Unerlöst verwandelt sich die Schwäche in Aufhebung des Seins - dies ist dann die Dekompensation.
Bis zum Schluß sagte er: "ich schaffe das, ein Rasta gibt nie auf, bald geht es weiter", obwohl die "Pferde" schon nicht mehr zogen, und die "Kutsche" unterging". Sein Verhalten zeigte Kontrolle,  sein Innerstes aber hatte schon immer aufgegeben (oder besser gesagt: sich dem Geschehen hingegeben).  
 
[astrologisch: das Verhalten ist gekennzeichnet durch Sonne-Pluto. Das Verhalten wird also durch Vorstellungen motiviert. Man weiß, wo es lang geht, und zieht dabei andere "Schwache" gleiche mit.]
 
Das astrologische Zeitbild offenbart auch Bestimmungen des Zeitlosen in einem Individuum. Wir können plausibel anschaulich machen, daß es Inhalte und Bestimmungen gibt, die über das gute Befinden des Subjekts hinaus gehen.
 
Nun soll das Messias- bzw. das Opferungsthema näher beleuchtet werden.
Er nahm das verneinte Recht zu leben hingebungsvoll an - das ist wie eine christliche Opferung in der Gemeinschaft.
 
[astrologisch:Sonne-Pluto mit Pluto in H8 als Hv H12: Er opfert sich für die Gemeinschaft und übernimmt den verdrängten Untergang. Diese Opferung bildet sich ab in einem Saturn-Venus nach H7,
also in der Befriedung der Gegenwart. Er war ein Messias, der sich opfert für die friedliche  Gemeinschaftlichkeit des Volkes.]
 
Dies wird bestätigt durch astrologische Betrachtung der Ereignisse, die sein Leben grundlegend in Frage stellten. Diese waren ein bewaffneter Überfall im Jahr 1976, den er wie ein Wunder überlebte - und 1977, als nach seiner Flucht nach London und nach einer Verletzung, Krebs das erste Mal entdeckt wurde. Daß sich die astrolgischen Zeichen bei ihm so lebensbedrohlich darstellen, hängt vermutlich zusammen mit der schicksalshaft notwendigen Schwächung des Subjekts.
 
[astrologisch: Neptun Transit steht zwei Mal in Konjunktion zum AC, jeweils zu den Ereignissen. Der Inhalt: die Infragestellung der Existenz (aus dem Nichts heraus).]
 
Wir können erkennen, daß seine Aufgabe der Friedensstiftung und die grundlegende Schwächung der Konstitution direkt zusammenhängen. Denn - bildlich besehen - wenn ein kräftiger Stier in die Arena zu den anderen Stieren kommt, dann gibt es Krieg. Nur weil Marley als Person kein Revierverhalten auslöste, konnte er vermittelnd wirken und angenommen werden.
 
Damit wären wir beim Begriff der Bestimmung angelangt. 
Die Dinge des Lebens sind so angeordnet, daß sie sich gegenseitig bedingen und Sinn ergeben können.
Der frühe Tod ist für die Zeitgenossen beängstigend, und wir fragen uns: hätte es vermieden werden können?  
Vorweg gesagt: die Fragestellung selbst scheint anmaßend und respektlos. Ich möchte sie korrigieren:  Was kann uns das Leben Marleys lehren?
Bei Betrachtung des Geburtsbildes erscheinen die Ereignisse in seinem Leben sinnvoll und folgerichtig.
Er war ein Zeitgeschehen, das als Person aus ihrem Empfinden heraus maßgeblich als Energie in die Gegenwart der Gesellschaft wirkte.
Gleichzeitig waren sein Stellenwert, Status und Abwehr in der Gesellschaft geschwächt. Dies war eine Vorraussetzung, um als Träger des Außersubjektiven in Erscheinung zu treten.
So erscheint dann schließlich auch die Aufhebung der eigenen Person sinnvoll und folgerichtig. Man kann in einer dualen Welt nicht frei von Abwehr sein, ohne zu Grunde zu gehen.
Dies hatten wir als das christliche Motive erkannt, insbesondere auch in Hinsicht auf das Selbstopfer für die Schuld der Welt. An Marley haben wir wieder erkennen können:  es funktioniert.

[Astrologisch: Mit dem Verbundende Steinbock, mit Saturn in H7, weist eine Bestimmung der Zeit auf die Befriedung hin. Die Aspektgruppe Saturn-Venus-Neptun - die damit ebenfalls zum Ziel des Verbandes gehört - beinhaltet sowohl das Opfer als auch den Dienst für die Gemeinschaft.]
 
Angesichts der Schwächung der Konstitution wäre es vielleicht von Vorteil (für das Subjekt) gewesen, jegliche Zugehörigkeit zu Gemeinschaften von Anfang an zu meiden.
Jede Zugehörigkeit birgt für ihn, vom Zeitbild her besehen, die Möglichkeit, als Schuldträger oder Sündenbock geopfert zu werden, beziehungsweise sich zu opfern. Dies kann auch unterschwellig geschehen, und, wenn man das Geschehen im Geburtsbild hat, nimmt man es auch leicht an.
[astrologisch: Venus-Saturn-Neptun im Expose des Verbandes] 
 
Vielleicht war die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Rastafaris schon ein falscher Kompromiß für Marley. Die Hinwendung zum Religiösen enthob ihn zwar der bloßen gesellschaftlichen Ordnung, jedoch  entstehen in jeder menschlichen Gemeinschaft - gleich welcher Ausrichtung - Mechanismen des zoologischen Raumes. Doch - vom Zeitbild her besehen - musste Marleys Lebensweg sich in das Gemeinschaftliche hinein bewegen.
[astrolgisch: Der Verbund geht von H4 nach H1, als vom 2. in den  1. Quadranten]
Zudem wurde er von den Gruppenführern zur Versöhnung berufen, das erste Mal vor dem Mordanschlag, das zweite Mal zum Versöhnungskonzert in Jamaika, bei dem er erfolgreich war.
Es war wohl sein Anteil an der Gegenwart der Zeit, daß er in der Lage war, die Schuld vieler auf sich zu nehmen.

 

© Daniel Menz