Anfangsmomente – über Wesen, Entfaltung und Verfehlung - am Beispiel der USA

  Wir haben hier die Möglichkeit einen allersten Beginn einer folgenschweren Geschichte zu betrachten. Es ist dies gwissermaßen das erste Keimen eines Triebes. Was daraus werden wird, das weiß man in der offenen Natur nicht – in diesem Fall jedoch entstand daraus die Kolonialisierung Nordamerikas und - noch andauernd - die Kolonialisierung der Erde. Man mag einwenden, Amerika wäre sowieso besiedelt worden, wenn nicht von den "Pilgervätern", dann von anderen. Nun ist der Begriff "Besiedelung" irreführend, denn Amerika war ja schon von den Ureinwohnern besiedelt. Genauer trifft es der Name des Buches des Pilgervaters William Bradford: "Of Plymouth Plantation".

 

Die Kolonie war eben wie eine Einpflanzung in ein bestehendes Territorium, letztendlich gar eine feindliche Übernahme, so, wie eingedrungende Pflanzen anderer Kultur- und Vegetationskreise die einheimische Flora zerstören können.

 

Was den Unterschied ausmacht, ob ein Wachstum harmonisch oder ob es ausschließend verläuft, dies wird später anhand dieses Zeitbildes erläutert. Soche Erkenntnisse gelten auch für die Gegenwart und die Zukunft.

 

Das Beginnen wurde zum Mythos. Dies begründete sich wohl darin, daß sie als erste Gruppe geordnet und von einem Ideal getragen handelten. Ihr Ziel lag nicht vordringlich in der Erfüllung von subjektiven Wünschen. Sie suchten ein Gemeinwesen zu fundieren im Sinne eines Neuen Jerusalems nach der Offenbarung des Johannes. Auf Grund der ihrer ideelen Ausrichtung konnten sie Rückschläge und Entbehrungen besser bewältigen als die Kolonisten, die nur aus Verzweiflung, Geldgier oder Abenteuerlust ausgezogen waren; denn für die Puritaner hatte alles Geschehen einen Sinn.

 

Wenn wir den ersten Anfang im Beginn der Kolonisierung der USA am Tag der Abreise betrachten, dann erwarten wir im Zeitbild alle wesentlichen Themen zu sehen, die mit einer solchen Migration verbunden sind. Das wären dann das Ziel der Reise, die Vorgeschichte (die Puritaner waren Separatisten und konnten nicht mehr in die Heimat zurück), aber auch der unmittelbare, existenzielle Status. Das Zeitbild gibt hier die Möglichkeit, das Wesentliche dieses Ereignisses zu bestimmen. Im Nachhinein besehen beschreibt es natürlich auch das, was man sowieso schon weiß. Wenngleich das letztere unter Menschen unterschiedlich verteilt ist, so erlangen wir doch über die geschehenen Ereignisse hinaus auch eine Einsicht in die jeweils spezielle Konflikthaftigkeit menschlichen Handelns.

 

Wir befinden uns hier am Tag der Abreise. Das Shiff ist überladen, die Vorräte ungenügend, die Zukunft ungewiss, das endlose Meer und der nahe Tod als reale Möglichkeit vor Augen.

[Astrologisch: dies beschreibt der AC, er befindet sich auf einem Grad, der beschrieben ist als die Begegnung mit der Endlichkeit.
Dieses Trauma des Beginns hat sich über die Jahre verfestigt in einer Haltung, alles auf eine Karte zu setzten, also in einer hohen Risikobereitschaft auf Gewinn zu setzen. Denn New York und auch das World Trade Center liegen astrologisch gesehen geographisch auf einem ähnlichen Grad.
Betrachten wir das gesamte Unterfangen über den Moment hinaus, so betrachten wir vornehmlich den herrschenden astrologischen Verbund: eine geplante Gegenwart sucht ihre Bestimmung (Verbund läuft von H8 nach H10). Die Puritaner hatten über Jahre eine ideale Lebenswirklichkeit geplant und vorbereitet, nun waren sie auf der Suche nach deren Bestimmung, dem Ort, an dem die Kontur ihrer Vision verbindlich in die Zeit tritt. Der Begriff "Bestimmung" wurde von ihnen durchaus als Wille Gottes verstanden.]

 

Daß diese Suche nach der göttlichen Bestimmung letztendlich erfolgreich verläuft – erfolgreich im Sinne einer nachhaltigen Änderung der sozialen Gegenwart – auch dies ist in diesem ersten Aufbruch schon angelegt.
[Astrologisch: Der Herrscher des Ziels des Verbundes beherrscht sowohl H10 als auch H8: Mit dem Wirksamwerden der Bestimmung (die Kolonie) wird auch die Gestalt der Gegenwart verändert (H8).]

 

Die Art und Weise, wie sie die Gegenwart verändern, ergibt sich aus ihrer Vergangenheit. Es tritt hier im eigentlichen Sinn keine kreative Neuerung ein, die Puritaner gestalten die Neue Welt gemäß den Erfahrungen, die sie aus ihrer Vorgeschichte (der Alten Welt) mitbringen. Die astrologischen Zeichen sagen deutlich: es ist nicht schöpferisch.

 

Das Ziel der Vergangenheit und der alten Welt war die Beherrschung der Welt. Dies nehmen sie mit, und es wird in der neuen Welt aktualisiert.

[Astrologisch: Es wird hier nach der Vorgeschichte gefragt. Der vorhergehende Verbund geht von H5 nach H8: das Subjekt will die Welt beherrschen. Dieses alte Ziel ist an das neue Ziel über den selben Zeichenherrscher gebunden.]

 

Allerdings ist er Wille zur Beherrschung der Welt in Alter- und in Neuer Welt nicht identisch.
In der Alten Welt war der Ursprung der Macht das (König-)Reich. In der Neuen Welt ist der Ursprung der Macht eine ideele Gruppe, die durch das Volk, das soziale Gemeinwesen macht ausübt. Auch der Wille zur Beherrschung der Welt ergibt sich in der Neuen Welt fast als Nebeneffekt einer Geisteshaltung, die sich von Gott berufen glaubt, oder allgemeiner ausgedrückt, ein unbestimmtes Lebensgefühl, eine Geisteshaltung, gegenüber anderen hervorgehoben zu sein. Eine solche kollektive Selbsterhöhung ergibt sich zwangsläufig, wenn der Mensch sein Subjekt heiligt.
Die möglichen zerstörerischen Folgen einer solchen Haltung sind unbegrenzt, da sie nicht im Realen begründet sind. So ist es nur folgerichtig, daß die USA die mächtigste Nation der Erde wurden, die die Zerstörung der gewachsenen Formen forciert, um die Welt umzuwandeln in eine sozial, artifiziell geplante - zu ihrem Nutzen.
So sagt der Geschäftsmann Edward auf Tahiti: "An Stelle dieses halbfranzösischen, faulen kleinen Ortes Papeete sah ich in zwanzig Jahren eine große amerikanische Stadt mit zehnstöckigen Gebäuden und Autobussen, einem Theater, einem Opernhaus, einer Börse und einem Bürgermeisteramt." in Edward Bernards Untergang von W. Somerset Maugham.

[In der astrologischen Deutung zeigt sich der unterschiedliche Ursprung des Machtstrebens:
Alte Welt: Verbund-Beginn in H5 (das Reich); Neue Welt: Verbund-Beginn H8 (die Beherrschung der Gegenwart durch Planung und mentale Kontrolle).
Die Betonug des sozialen Gemeinwesens (genauer: eine Gemeinschaft von Individuen) in der Neuen Welt ergibt sich aus dem Herrscher des Verbund-Beginns in H2.
Dies ist jedoch nur eine Bemäntelung, denn im Kern geht es um Macht und Manipulation der Welt aus dem Verborgenen heraus gemäß den eigenen Vorstellungen. (Verbund-Beginn in H8)]

 

 

Das ursprüngliche Ziel der Puritaner, das Neue Jerusalem zu erschaffen, scheint bis heute in allegorischer Form im Habitus der Bürger der USA erhalten zu sein. Das Neue Jerusalem dient als Zeichen des Sieges über das Böse. Diese Terminologie ist in der amerikanischen Politik bis heute erhalten.("Die Achse des Bösen", oder die Haltung: wer nicht für uns ist, der gehört zu den Bösen. Auch das reihenweise selbstherrliche Vernichten von Regierungen fällt darunter - mit zum Teil desaströsen Folgen für Menschen und Land, immer begleitet von moralischen Begründungen, und auffallend durch einen Mangel an Schuldgefühl).

 

Letztendlich besteht das Ziel darin, das Maß der (aller) Dinge zu sein.

 

[Astrologisch.: das Ziel des Verbands liegt in H10: Maßgeblichkeit/Anmaßung.]

 

Bei einem solch hehren Ziel erwächst eine gewisse Sorge, denn wo die Ziele hoch gesteckt, dort ist auch das Scheitern beträchtlich. Es besteht ein seinslogischer Konflikt zwischen dem Anspruch, global verbindlich zu sein, und dem Wachsen und Sein des Individuums gemäß seiner Eigenart an seinem Ort. Am Beginn steht das Streben nach Heimat und nach Wohlstand für jeden Bürger. Dies verträgt sich schlecht mit einem Verhalten, dass allgemeingültig die Welt ordnen und regeln will. Die Nordamerikaner haben versucht, beides zu vereinen: nationale Interessen, nationalen Wohlstand durch Kontrolle, Überwachung und Manipulation der gesamten Welt, einschließlich der eigenen Bevölkerung. Dies geschieht meist aus dem Geheimen heraus, auch um nach außen den Mythos von Freiheit aufrecht zu erhalten. Die Bevölkerung lebt de facto in einem Überwachungsstaat mit Geheimgerichten (FISA), über deren Urteile man nicht reden darf; in keinem anderen Land befinden sich anteilsmäßig mehr Menschen in Gefängnissen, es gibt sogar Foltergefängnisse im Ausland (Guantanamo, Bulgarien u.a.). Man könnte dieses Phänomen mit dem Begriff "sektenähnlich" beschreiben in seinem Auseinanderklaffen von Realität und Wahrnehmung. Trotz massenhafter Aufdeckung der versteckten Praktiken (NSA-Affaire, WikiLeaks u.a.) würden sicherlich die meisten Nordamerikaner und auch viele Verbündete aus tiefster Überzeugung behaupten, die USA vertreten die Freiheit für die ganze Welt.
Diese Dichotomie findet sich von Anfang an bei den Pilgervätern. Sie sahen sich selbst als Pilger und nannten sich nach dem Sprachgebrauch des Apostel Paulus "Heilige". Dies hinderte sie aber nicht, nachdem die Ureinwohner durch Krankheiten der Migranten schon gößtenteils an Epidemien verstorben waren, die Häuptlinge der verbliebenen Einwohner in einen Hinterhalt zu locken und zu ermorden. Dies alles im Bewußtsein, sie (die Pilgerväter) seien von Gott auserwählt und die "Guten".
Dieser Konflikt ist bis heute wohl einer der markanten Konflikte mit weltweiten Auswirkungen..

 

[Astrologisch: dieser inhaltliche Konflikt ist im Zeitbild dargestellt durch den Aspekt der Herrscher von Verbund-Anfang und Verbund-Ende zueinander: Mond-Merkur. Der Aspekt geht von H2 nach H10. Im ersten Aufbruch war das alles schon enthalten. Mit Mond-Merkur sehen wir den Widerstreit von Verstand und Empfinden, in der Bewegung zwischen H2 und H10 den Widerstreit von überpersönlichen Maßgaben und einer Gesellschaft von Individuen.]

 

Hier gelangen wir wieder zur anfangs gestellten Frage, wann eine Wachstum harmonisch, und wann es ausschließend verläuft. Man möchte fast meinen, ein Gärtner sollte auf diese Frage antworten. Denn die Natur ist der Bestimmung des Seins noch nah, und der Gärtner wird versuchen, die Ordnung des Gemeinschaftlichen so zu gestalten, das ein jedes nach seiner Art am angemessenem Ort wächst und gedeiht.

 

Entscheidend ist die Frage der Beziehung von Weltlichem und Himmel, der Perspektive, das wäre eine Besinnung auf das Wesentliche, es setzte aber voraus, daß man eine Perspektive gewinnen könne, unabhängig vom Bestehenden.

 

Das Zeitbild des Beginns der USA – und dessen Inhalte entfalten sich in die Zukunft – zeigt eine Rückwendung, eine Abwendung vom Gegebenen zur Suche nach dem ursprünglichen Bestimmungen des Daseins.
Diese Hinwendung zur ursrünglichen Bestimmung wäre der religiöse Anteil.
Wenn jedoch die Abwendung von sozial-gesellschaftlich Gegebenen nicht gelingt, dann entsteht das, was wir heute erleben: ein ein sektenartiges Gemeinwesen, in dem anstelle der Gestalten des Wirklichen die Formen der verdrängten Wirklichkeit bestimmend werden. Dies wären dann Disneyland, Raketen, Wissenschaft, virtuelle Welten, alles vereinamende Produktionsketten, und so fort...Die Gesellschaft zeugt sich selbtst, erweitert ihre Spiegelbilder, ist fasziniert von sich selbst, wird aber keine Befriedigung finden können, und muss deshalb immer weiter, unter Zerstörung des Gewachsenen und Wachsenden.

 

Befriedigung, die Befriedung beinhaltet, ensteht nur aus dem Sein in einer Gestalt – und damit in den Grenzen - des Himmels.

 

Damit wird uns die USA zu einem Sinnbild, wie man sein Ziel verfehlen kann, und im Verfehlen doch seiner Bestimmung nicht entkommt.