Paeonia - eine Arzneibestimmung in der astrologischen Homöopathie

Letztere. die einander ziemlich ähnelten,
sang er eines abends mit solcher Beharrlichkeit
immer und immer wieder, dass ihm sein Vater
ohne Vorwarnung die üppige Blüte einer
Pfingstrose in den Mund stopfte.“i

Im Prolog findet sich der Hinweis auf eine Pfingstrose (Paeonia). Dieser Hinweis ist nun nicht schwach und zufällig hingeworfen. Das Zitat entstammt einem Buch von André Heller. Heller sagte in einem Interviewii, dieses Buch sei gewissermaßen seine alternative Biographie. Die dem Zitat folgenden Zeilen unterstreichen noch einmal, wie stark und bestimmend das Bild des Ereignisses war:

„… und den ein wenig wermuthaften Geschmack der Blütenblätter konnte Julian sich noch Jahre später in Erinnerung rufen“.

 

Bei einer Person wie André Heller lohnt es sich immer, den Bildern nachzugehen. Aus seinem Werk wissen wir, daß er heroisch Bildern des Wirklichen Gestalt verschafft.
Offensichtlich steht die Pfingstrose in Zusammenhang mit Hellers Person. Um das Allgemeine darin zu erkennen folgen wir dem Zeitbild Hellers, denn dieses ist die Fügung allgemeiner Muster als Individuum.

 

Welches sind die allgemeinen Inhalte, die mittels der Paeonia an der Person Hellers sichtbar werden?

 

Wir finden und sammeln Hinweise und Anhaltspunkte in den Zeichen, die mit dieser Pflanze gesetzt wurden. Wir wollen diese Zeichen danach zusammen schauen.

 

Die Pflanze selbst mutet reich, füllig, phantasievoll und ungezwungen an:

 

Flower of Paeonia californica. by  Noah Elhardt
Flower of Paeonia californica. by Noah Elhardt
Knospe der Fremdartigen Pfingstrose (Paeonia peregrina) im Botanischen Garten zu Berlin (by   Hanson59   de.wikipedia)
Knospe der Fremdartigen Pfingstrose (Paeonia peregrina) im Botanischen Garten zu Berlin (by Hanson59 de.wikipedia)

 

Des weiteren wurde in der Volksmedizin ein Hinweis auf die Zähne gegeben. Dies führt inhaltlich zu Begriffen aus dem Themenkreis von Aggression, Kampf und Durchsetzung und Streit, in astrologischen Zeichen ein Hinweis auf den Mars.

Die Volksmedizin kannte noch eine andere Verwendung der Pfingstrose: Ihre Samen wurden auf Ketten aufgereiht und zahnenden Kleinkindern zum Kauen gegeben. In Bayern nannte man die Samen deshalb auch Apolloniakörner – zu Ehren der Heiligen Apollonia, der Patronin der Zahnleidendeniii

Eine solche Resonanz im Bereich der Aggression steht im Widerspruch zu dem prächtig fülligen Erscheinungsbild der Pflanze. Solche Widersprüche scheinen wichtig, sie offenbaren die innere Logik des Lebendigen. Aus einer Gesamtheit können wir später versuchen ein Bild zu generieren.

 
Die chinesische Mythologie schafft eine Verbindung zum Zeitlosen:

In einer chinesischen Legende kennt man die junge Heldin unter dem Namen“白牡丹”(Aussprache "bai-mu-dan", wörtliche Übersetzung "weiße Päonie"; namentlich eine weibliche Person aus der Familie bai resp. Familie "weiß" mit dem Vornamen mu-dan resp. "Päonie"). Diese Figur ist nämlich Geliebte des Unsterblichen “吕洞宾”(Aussprache "lü-dong-bin") in der chinesischen Mythologie.iv

„Die Geliebte des Unsterblichen“ - das wäre die Inkarnation des Ewigen als Zeitliches durch Schöpferisches in der Existenz, in astrologischen Zeichen die Verbindung Venus-Uranus.

 

Aus dem Namen der Paeonia ergibt sich eine Beziehung zum Gott der Unterwelt. Dieser war verwundet und wurde durch sie geheilt:

Der botanische Gattungsname Paeonia ist auf das griechische Wort „paionia“ zurückzuführen, das für den Götterarzt Paian steht. Der griechischen Sage nach heilte er mit Hilfe dieser Pflanze Pluton, den Gott der Unterwelt, nachdem Herakles diesen im Krieg um Pylos verwundet hatte.v

In astrologischer Bewertung würde man sagen, Pluto sollte nicht den Zwecken des Menschen unterworfen sein, ansonsten ist er verletzt (durch Herakles). Der Mythos sagt, die Herrschaft über die Gestalt der Welt als Gegenwart sollte gemeinsam in den Händen von Neptun, Jupiter und Pluto liegen:

Entsprechend dem griechischen Mythos wurde Pluto zum Herrscher der Unterwelt, nachdem Jupiter (griech. = Zeus) ihrem gemeinsamen Vater Saturnus (griech. = Kronos) die Herrschaft über die Welt entrissen und sie mit seinen älteren Brüdern Neptunus (griech. = Poseidon) und Pluto geteilt hatte.vi

Astrologisch deuten wir diese Bilder:
Die Form der Gegenwart möge bestimmt und verpflichtet sein dem Nicht- oder Noch-Nicht-Gewordenen unter Berücksichtigung der Fülle der sinnvollen Möglichkeiten.
Gerade dies ist nun im Alltag weithin nicht der Fall. Es herrschen Sachzwänge. Dies ist die Bezeichnung dafür, daß die Funktionen der Materie selbst herrschen wollen. Eine Befruchtung mit dem Geist findet darin wenig statt. Dabei sind die Bedingungen Schöpferischen nicht hinreichend erfüllt, wenn die Erscheinung der Materie durch Kopie, Wiederholung und Permutation nur mehr sich selbst spiegelt und den Himmel ausschließt.

Neueste Erhebungen gehen davon aus, dass die derzeitige Aussterberate von 3 bis 130 Arten pro Tag um den Faktor 100 bis 1.000 über dem natürlichen Wert liegt. Nach einer Studie des Stockholm Resilience Centre von 2009 ist der ermittelte Grenzwert für das verkraftbare Aussterben von Arten bereits um über 1.000 % überschritten und ist damit noch vor dem Klimawandel das größte ökologische Problem; es ist damit auch ein wesentliches Merkmal eines Anthropozänvii.

 Auch Nationen und Grenzen von Ländern bekunden das Ringen und den Streit um die Form der Existenz. Die einen beharren auf dem Bestehenden, die anderen wollen es in ihrem Sinne gemäß ihrer Vorstellungen verändern. Doch kaum einer hört hin, um dienend der Gestalt der Gegenwart gerecht zu werden. (Dies ist bildlich der verletzte Pluto)

 

Der im Prolog zitierte Junge hatte diese Unvollkommenheit des Daseins erkannt und litt darunter. Er sang erfundene Nationalhymnen von erfundenen Ländern. In diesem Bild drückt sich Verzweiflung aus, gepaart mit automatisierter Zwanghaftigkeit, eine Ahnung des Richtigen und dessen verzweifelten Beharrens.
Die Welt folgt nur ungenügend dem Strom der Wandlungen, da sie im Streit verfangen ist. Deshalb muß die Phantasie das Fehlende in die Welt bringen. André Heller erzählt, daß er in seiner Kindheit die Welt furchtbar fand. Ein Trost war das Palmenhaus unweit im Park. Dies war für ihn eine Insel der wirklichen Welt durch deren Fenster man das trostlos Falsche sah, das einen umgibt.viii Auch dieses Thema taucht in seiner „alternativen Biographie“ wieder auf.ix

 

Zur astrologischen Bestimmung der Paeonia findet sich ein wertvolles Hilfsmittel im Zeitbild André Hellers. Die Bedeutung der Paeonia für seine Person wurde ja im Vorangehenden angedeutet. Dann muß dies auch umgekehrt gelten. Fügt man die getrennt betrachteten Themenbereiche im Zeitbild Hellers zusammen soll sich etwas der inhaltlichen Logik und Geschichte der Paeonia und Hellers erschließen.

 Niemals würde eine automatisierte Deutung Sinn ergeben. Sie ist anthropozentrisch und folgt der inneren Logik des Daseins. Im Zeitbild Hellers fügen sich die im Vorangegangenen hervorgehobenen Bilder nun mit dem Mars zum Komplex Mars-Merkur und der sich daraus ergebenden Dynamik. Nur als Gesamtes ergibt es Sinn und Bild. Hier wären das dann Streit und Widerstand einer feindseligen Welt, die öffentlich ausgetragen werden. Im Zentrum dieser Widerstände jedoch steht etwas anderes: das Fehlende, das Ausgeschlossene wird hervorgeholt. Astrologisch bezeichnet wäre dies die Lückex, die aus Mars-Merkur entsteht: Venus. Und mit der Venus spannt sich das ganze Geviertxi auf, welches die zugehörigen vorangehenden Bilder generiert. Heller hat dieses Ringen öffentlich dargestellt.

 

 Zum Streit in Hellers Leben sei berichtet:

Wien" sang er in einem Chanson, "ist eine alte Frau; drum wart' ich bis zum Muttertag, daß ich erschlag" die Sau." Österreicher schickten ihm daraufhin Kotpakete und Bombendrohungen ins Haus.
Wien, sagte er, sei "eine Robert-Stolz-Wüste", in der es "selbst ein Lipizzaner bei guter Führung zum Bürgermeister bringen kann"; zudem "ein einziger großer Schlips, auf den sich alle getreten fühlen, wenn einer die wehleidige Selbstzufriedenheit ausrotten will".xii
„..abenteuerlichen Künstlerexistenz eines Mannes, dessen Treibstoff sich aus Größenwahn, Selbstzweifel und der ­zwanghaften Lust am Polarisieren mischte.xiii

Er berichtetxiv von der Uraufführung seines ersten Theaterstücks: Teile des Publikums – darunter Curd Jürgens – standen auf, äußerten ihr Mißfallen durch Buhrufe und verließen den Saal. Heller hatte eineinhalb Jahre an dem Stück gearbeit, er war von dieser Ablehnung so betroffen, daß er eine Zeitlang nie mehr Theaterstücke schreiben wollte. Er habe es so empfunden, daß man ihm nie einen Platz in der bürgerlichen Gesellschaft zugestehen wollte.

 

Das Fehlende nun - astrologisch Venus und deren Geviert bezeichnet - das Heller in die Welt brachte, kommt nicht von selbst. Es muß in einer Krise geboren werden. Die Krise kann hier nur darin bestehen, daß die gewohnten Aktions- und Reaktionsmuster des Polarisierens in Frage gestellt sind. Eine solche Krise kann dann akut werden, wenn ihre Zeit gekommen ist. Im Zeitbild Hellers wird diese Phase mit 49 Jahren (mit 0° Widder) erreicht. Diese Phase sollte sieben Jahre dauern. Er sollte gewissermaßen wesentlicher in die Welt treten.

Die Verzweiflung wuchs mit dem Gedanken, dass es aus dieser Krise vielleicht keinen Ausweg gab. In klareren Momenten konnte Heller die Fakten sortieren. Er wusste, dass einige Ärzte seine Symptome als klinische Depression bewerten würden. Aber er wollte so lange wie möglich keine Medikamente nehmen, von denen er wusste, dass ihre Nebenwirkungen seine Persönlichkeit zusätzlich massiv verändern würden. Heller selbst bezweifelte, dass er an einer Depression litt. Er begriff den Zustand, in den er geschleudert worden war, als einen Erkenntnisvorgang, der mir plötzlich das gesamte Elend und die Überforderung der Person André Heller vor Augen führte. Ich begann die Angelegenheit als einen endlos langen Zahltag für meine bisherige Ignoranz und Selbstbeschädigung zu begreifen, als ein Sterben, das im selben Körper zu einer Wiedergeburt führen würde.xv

In Gestalt des Gartens wird das Erscheinen der Venus Bild. man könnte meinen es sei ein Versuch des Paradieses, wenn Phantasie und Ideen in und als Natur erscheinen. 1989 entstand ein solcher Garten in Gardone Riviera am Gardaseexvi. 2016 erschuf Heller einen der phantasievollsten Gärten der Welt in der Nähe von Marrakechxvii.

 

In den Gärten erwächst das, was weiter vorne astrologisch als Geviert der Venus bezeichnet wurde. Dies zeigt sich in den sich entfaltenden Bildgruppen. Um ein paar zu benennen wären dies die zeitlos schöpferische Struktur (Venus-Uranus), das Erschaffende im und als real existierender Raum (Venus-Sonne), die Konzentration auf einen umgrenzten und abgeschlossenen Bereich (Venus-Pluto). Diese Form entsteht aus dem Dasein von Anfré Heller, im Zeitbild initial aus der Anlage Mars-Merkur, die bei ihm im in einem Bereich stehen der öffentlich ist, somit also aus der Lücke Gestalten des Himmels in die Öffentlichkeit streben.
Im Bild des Gartens wird durch Heller auch das Geschehen einer Heilung öffentlich. Die mythologische Betrachtung hatte ja gezeigt, daß Pluto durch Streit und Krieg verwundet war (aus dem Geviert des Pluto: Venus-Pluto, Sonne-Pluto, Uranus-Pluto). Er wurde mit Paeonia geheilt. Somit sind die Gärten auch ein Ort der Heilung, der Menschen, die im Kampf der Existenz die ewige Ordnung ihres Daseins als Bewußtsein verloren haben.

 

Nach den Paradiesgärten des André Heller kehren wir zurück zur Dynamik der Paeonia. Die Bestimmung des astrologischen Heilmittelbildes umfasst eine Geschichte in der eine Entwicklung stattfindet, es ist ein Ringen um die rechte Gestalt eines Ortes, wie sie nur dem Leben eigen ist.

 

Es ist eine Hyperaktivität die sich in der Ausübung erschöpft. Es ist eine Aktivität, die ihren Sturz in die Leere durch weitere Aktivität flieht. Diese polarisierende Aktivität ist nur vor dem Hintergrund des Mangels an rechtem Dasein zu verstehen, gewissermaßen eine verzweifelte Kritik um den fehlenden rechten Ort des Daseins (astrologisch: Venus-Uranus). Man ist zwanghaft aktiv vor dem Hintergrund eines persönlichen Konkurs des Daseins (astrologisch: Saturn-Neptun als Rückseitexviii von Mars-Merkur). Dieser Konkurs entsteht durch die Lücke, den Mangel an Ursprünglichkeit im Dasein und der Ordnung der Welt.

 

In dieser Phase könnten auch Symptome der Paeonia entstehen, die im Homöopathischen Repertorium als Störung der Ausübung von Erscheinung Niederschlag finden:

Geist, Gemüt; Angst
Geist, Gemüt; Angst; Krämpfe, und
Geist, Gemüt; Ruhelosigkeit, Nervosität; Gehen; schl.
Geist, Gemüt; Angst; Schmerz, bei; Abdomen, im
Gesicht; Blutandrang; Schweiß, mit

So wollen wir der Paeonia astrologisch Mars-Merkur zuordnen.

 

Paeonia ist die in Existenz- und Machtkämpfen verloren gegangene adäquate Form des Materiellen und Sozialen gemäß ihres Ursprungs im Ewigen – als die sich beständig wandelnde phantasievolle Schönheit und Ordnung der Schöpfung, die aus Streit und Kampf erwächst.

 

© Daniel Menz

 

 

Quellen:

 

André Heller: Das Buch vom Süden; S.19; Wien 2016

ii „Die wahren Abenteuer des André Heller“; Arte HD am 29.10.2017

viii „Die wahren Abenteuer des André Heller“; Arte HD am 29.10.2017

ix André Heller: Das Buch vom Süden; S.18; Wien 2016

Lückenlehre → siehe Literatur von W. Döbereiner (http://www.doebereiner.com)

xi ebd.

xii Zirkus unter dem Herzen: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42762802.html am 9.11.2017

xiii  Profile.at: Der Traumpfleger ( https://www.profil.at/home/andre-heller-der-traumpfleger-320155 am 9.11.2017)

xiv „Die wahren Abenteuer des André Heller“; Arte HD am 29.10.2017

xv ebd.

xvi Ein Paradiesgarten. http://www.hellergarden.com/de/ am 9.11.2017

xvii Anima: Die drei Hektar große, opulente, botanische Inszenierung des Universalkünstlers André Heller ist ein magischer Ort der Sinnlichkeit, des Staunens, der Kontemplation, der Freude, der Heilung und der Inspiration für Menschen jeden Alters, die Unvergessliches erleben wollen. (http://www.anima-garden.com/erleben.html am 9.11.2017)

xviii  Rückseitendeutung → siehe Literatur von W. Döbereiner (http://www.doebereiner.com)